Jahrelang war Michael in einer Werkstatt für behinderte Menschen in der Nähe von Erlangen zuhause. Irgendwann aber wurde ihm diese Welt zu eng, er fühlte sich ausgelernt und unterfordert. An einem Sommertag im Jahr 2021 wagte er deshalb den Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Und heute? Hat er dank des Budgets für Arbeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Tasche und wohnt in seiner eigenen Wohnung.
Will man Michael an seiner Arbeitsstelle treffen, muss man ihn erst suchen. Nicht dass er sich verstecken würde, dafür packt er doch zu gerne an. Nein, suchen muss man ihn deshalb, weil der Supermarkt, in dem er angestellt ist, so groß und die Regale so hoch sind. Am ehesten überblicken kann man dieses Nebeneinander meterlanger und -hoher Regale noch von der Galerie in der Mitte des Marktes – aber auch die dazugehörige Treppe müssen Ortsunkundige erst einmal finden.
Inmitten dieser labyrinthischen Anordnung von Angeboten und Alltäglichem fühlt sich Michael wohl, hier ist er stolz auf seine Arbeit. Sechs Stunden dauern seine täglichen Schichten. Er zieht Paletten voller Waren mit einem Hubwagen durch die langen Gänge und platziert sie am gewünschten Ort. Er räumt Waren ein und hilft im Lager bei der Warenannahme, entsorgt Altpapier und steht auch den Kund*innen bei Fragen zur Seite. Und manchmal begleitet er wie heute Vertreter*innen durch den Markt, die in Unternehmensauftrag die Platzierung bestimmter Produkte kontrollieren.

Seit Januar 2023 ist Michael hier angestellt, und im Gespräch wird schnell deutlich, wieviel ihm diese Arbeit bedeutet. Sie hat ihm Eigenständigkeit, ein sicheres Einkommen und nach Jahren in einem Wohnheim der Lebenshilfe sogar eine eigene Wohnung ermöglicht. „In einem guten Sinne habe ich erreicht, was ich erreichen wollte“, sagt er.
Über Hürden auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Einfach war der Weg hierhin für ihn nicht. Mehrere Jahre lang arbeitete und lebte Michael in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Herzogenaurach, er hatte ein Zimmer im angeschlossenen Wohnheim, er lernte wichtige Handgriffe für seinen späteren Beruf und pflegte soziale Kontakte.
Schlecht war all das nicht, aber es war Michael ab einem gewissen Zeitpunkt eben auch nicht mehr genug. Während seines Sommerurlaubs 2021 fasste er sich deshalb ein Herz und wurde bei einem Rewe-Markt in der Nähe vorstellig. Er fragte nach Arbeit und bekam die Möglichkeit, ein Praktikum zu absolvieren. Die WfbM, in der er bis dahin tätig war, wiederum verständigte sich mit dem Fachdienst Access – Inklusion im Arbeitsleben, der ihn in sein Betriebliches Arbeitstraining aufnahm und Michael seitdem begleitet.
Das erste Praktikum ließ sich gut an, erinnert sich Michael, und doch endete es jäh. Nach einem Wechsel in der Marktleitung wurde die Erprobung nicht verlängert und er wähnte sich vor dem Nichts: „Ich war baff, ich war wirklich fertig. Ich wusste ja nicht, wie es weitergehen oder was ich machen sollte.“ Sollte der Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schon hier enden? Nein. Mit Unterstützung seiner Jobcoaches fand er eine neue Praktikumsstelle, nun in einem größeren, familiengeführten Markt in Weisendorf, rund zehn Kilometer entfernt von seinem Wohnort.
Von Unsicherheiten und Erfolgserlebnissen
„Es hat sich von Anfang an richtig angefühlt“, erzählt Michael von den ersten Tagen in „seinem“ Markt. Zwar fühlt auch er sich von der schieren Größe zunächst ein wenig eingeschüchtert, mit zugewandten Kolleg*innen und Jobcoaches an seiner Seite akklimatisiert er sich aber schnell. Bald ist klar, dass sich hier tatsächlich eine dauerhafte Perspektive eröffnen könnte – mithilfe eines Budgets für Arbeit nämlich. Der mit einem Budget gezahlte Lohnkostenzuschuss stellt einen finanziellen Anreiz für den Betrieb dar, für Michael wiederum bietet das Budget für Arbeit den großen Vorteil, auch weiterhin bei seiner Arbeit unterstützt werden zu können.
Die erforderlichen Formalien allerdings ziehen sich hin. Als sein Praktikum nach drei Monaten nicht im ersehnten Arbeitsvertrag mündet, sondern zunächst verlängert wird, wird er nervös: „Das hat mich verrückt gemacht. Ich hatte Angst, dass ich nicht mehr weiterkomme, und wollte schon alles hinschmeißen.“ Michael berichtet von unruhigen Nächten, von der Sorge zu scheitern. Seine Familie stützt und beruhigt ihn in dieser Zeit, hilft ihm dabei, ob der Unsicherheit nicht den Kopf zu verlieren.
Sein Durchhaltevermögen wird strapaziert, zahlt sich schließlich aber aus. Im Winter 2022 hat das lange Warten ein Ende: Das Budget für Arbeit wird bewilligt, Michael unterschreibt einen Arbeitsvertrag und ist endlich dort angekommen, wohin er sich knapp anderthalb Jahre zuvor aufgemacht hatte: auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. „Mein inneres Gefühl hat mir damals schon gesagt, dass die Richtung stimmt“, erinnert er sich an die Zeit, als er die WfbM gerade verlassen hatte, „dass der erste Arbeitsmarkt genau das Richtige ist und mein Weg dorthin geht. Und genau so ist es Gott sei Dank ja auch gekommen.“

□ Ein Beitrag von Access – Inklusion im Arbeitsleben